Der Männerworkshop — Hintergrund
Einige Jahre lang hatte ich Seminare geleitet, die sich auf die Person als menschliches Wesen konzentrierten und nicht auf die Person als Mann oder Frau. Ich ignorierte das Geschlecht, wie andere Unterschiede auch, und fand in der Menschlichkeit den gemeinsamen Boden, auf dem die Liebe von Mensch zu Mensch gedeihen konnte. Ich wusste nicht, dass Männer wie Frauen jeweils eigene Gemeinsamkeiten haben und diese auch brauchen, um einander zu lieben; die einzige Bezugsmöglichkeit, um die Entfremdungseffekte der Egozentrik zu überwinden, sah ich in der alle umfassenden Menschheit. Ich hatte mich selbst noch nicht von der einen Hälfte der Menschheit differenziert und mit der anderen identifiziert.
Als ich 1986 ein Wochenende mit 200 anderen Männern verbrachte, änderte sich das gründlich. Es war ein unsanftes Erwachen ins Mannsein. Ich konnte mich mit dem so genannten wilden Mann in mir verbinden. Versteckt unter Bergen von Daunendecken einer geisttötenden Verweiblichung, entdeckte ich ein haariges, männliches Biest, von dem ich meine phallische Natur zurückerlangte.
Wir gingen sehr herzlich und großzügig miteinander um. Ohne Frauen und mit so vielen Gemeinsamkeiten war es denkbar einfach. Wir konnten uns entspannen und lebten auf. Wir waren frei zu sein, wie wir sind, und erkannten uns im anderen wieder.
Ausser Sex hatten wir alles, wofür wir normalerweise zu Frauen gehen — Liebe, Verständnis, Wärme, Mitgefühl, Akzeptanz, Wertschätzung. Hier gab es ein Bankett für jede liebeshungrige Seele, und es war gratis — ohne Schlingen und Haken. Wir staunten, dass wir diese Art Nahrung von anderen Männern bekommen konnten — und dass wir dafür unsere männlichen Werte nicht aufs Spiel setzen mussten.
Anfangs gab es freilich reichlich Konfrontationen. Wir stritten miteinander, manchmal mit körperlichem Einsatz. Wir stritten, um den Weg zueinander zu finden. Wir bekämpften uns, um Brüder zu werden, indem wir die festgefrorene Isolation mit leidenschaftlicher Aggression durchbrachen. Nach dieser Art des Zusammenkommens war es uns möglich, eine kollektive männliche Traurigkeit, die erlöst werden wollte, miteinander zu teilen. Es kam zu einer Eruption von Kummer. Ich habe schon viele Arten von Betrübnis erlebt, aber nichts war vergleichbar mit dem, was ich an jenem Tag erlebte. Ein schier unermessliches, tief vergrabenes Leid — universelles Leid, einverwoben in die Fasern stofflicher Existenz wie mir schien — sprudelte mit geysirartiger Macht empor und erschütterte mich. Als es vorüber war, war ich restlos erschöpft. Kein Wunder, dass Männer nicht weinen, erinnere ich mich, gedacht zu haben.
Dieses Erlebnis zusammen mit den anderen Erfahrungen von jenem Wochenende eröffnete mir eine völlig neue Perspektive — eine, bei der ich die Entfaltungsmöglichkeiten, die sich aus der männlichen oder weiblichen Natur einer Person ergeben, nicht länger ausser Acht lassen konnte. Beide Geschlechter haben ihre spezifischen Leidensarten; jede Leidensart führt zu eigener Weisheit und Stärke. Damals fasste ich den Entschluss, andere Männer in angemessener Form zu fördern. Aus dieser Absicht entstand 1987 der Männerworkshop; er sollte Männern Gelegenheit zu offenen Begegnungen geben und er sollte ein Raum sein, wo Männer — auf vollkommen neue und zugleich uralte Art — »Männer Männer sein konnten« und Männer »gemacht« werden konnten.
Was fehlt Männern in ihrem Leben und was soll durch den Workshop vermittelt werden? Eine Wertschätzung der Männlichkeit, die im Wesentlichen als geistige und nicht nur als biologische Kraft zu verstehen ist; körperlicher und emotionaler Kontakt mit anderen Männern; ein Initiationsprozess, der die mutterdominierte männliche Seele ins Mannsein einweiht. Der Workshop ist nur für Männer, die bereit sind, in einem intensiven Gruppenprozess sich mit sich selbst und anderen zu konfrontieren. Jeder Mann muss die volle Verantwortung für seine Teilnahme übernehmen; in dieser Hinsicht ist der Workshop keine Therapie, doch in der Wirkung kann er therapeutisch sein.
Ich habe beobachtet, dass Männer, die den Workshop besuchen, sich gegenseitig in ihrer Männlichkeit stärken — was geschieht, ist mehr als nur eine Bejahung ihres Geschlechts, wie mir scheint. Sie geben sich gegenseitig Energie oder bekommen sie durch den Gruppengeist. Durch recht aggressive Verhaltensweisen machen sie das Abstumpfen und Glätten ihrer rauen Kanten wieder wett, das der Umgang in einer höflichen Gesellschaft erfordert. Als Folge davon wirken sie härter und strahlender, schärfer konturiert und geistesgegenwärtiger.
Mir würde es genügen, wenn jeder Teilnehmer hinterher von sich sagen kann, was einer einmal folgendermaßen formulierte: »Nach dem Workshop wurden meine Beziehungen mit anderen Männer viel entspannter. Ich traute mich, meine Stärken wie meine Schwächen zu zeigen. Frauen gegenüber konnte ich mich mehr öffnen und sie brachten mir mehr Wertschätzung entgegen. Meine Männergruppe, eine Folge des Workshops, hat mir zu weiteren Fortschritten verholfen, und gemeinsam lernen wir, mehr wie Männer zu leben und alle männlichen Eigenschaften in uns aufzunehmen.«
Weitere Informationen unter www.maennerworkshop.de